Wo der Humor wächst. Über Rainald Grebe

Wenn allerorten vom „Niedergang der Humorbranche“ (SZ) oder von „geklonten Sternchen und gefallenen Stars der Comedy-Szene“ (FAZ) gesprochen wird, sagen wir gleich, was Sache ist: Rainald Grebe ist ein Fixstern. Sein Soloprogramm gehört definitiv zum Besten, Intelligentesten und nicht zuletzt Komischsten, was man derzeit auf deutschen Bühnen erleben kann. So.
Dabei macht der 33jährige Kölner nichts anderes als an seinem Klavier zu sitzen und Lieder zu singen. Oder Liedanfänge. Oder vertonte Halbsätze. Todtraurige Miniaturen sind das, über Magersucht, Hammerwerfen, thüringische Seniorenheime und letzte Einträge in Poesiealben; abgrundtief triste Lebensskizzen vom „wortkargen Wolfram“ oder vom „mittelmäßigen Manfred“, verlorenen Randexistenzen, die aller Beschränktheit zum Trotz nicht müde werden, nach den Sternen zu greifen. Und das fassungslose Publikum sitzt da und weiß nicht, ob es kollektiv losflennen oder unter sich machen soll vor Lachen. Meistens entscheidet es sich für letzteres. (Wenn Rainald Grebe gerade keine Lieder singt, sagt er welche an: „Ich bin ein Wochenendseminar“, kann so eine Ansage lauten. Oder: „Vor tausend Jahren soll es sehr viele Mittelaltermärkte gegeben haben.“ Dann spielt er einen Zwei-Minuten-Song über die Schönheit von Reihenendhäusern.)
Als ich Rainald Grebe Anfang der 90er Jahre das erste Mal sah, dachte ich, der Typ ist wahnsinnig. Über und über mit Luftballons beklebt, stand er auf einer kleinen Berliner Bühne und sprach über „Orte, an denen der Humor wächst“. Für jeden „gelungenen Satz“ stach er einen Ballon kaputt. Er war ziemlich schnell fertig. (Auch, weil er ausschließlich beim Einatmen redete – probieren Sie das Mal!)
Zehn Jahre später sang er auf einer Gala im Hamburger Schauspielhaus seine großartige Hymne „Dörte, du bist der Ausweg aus der Spaßgesellschaft“. Ein Lied, das mich nicht mehr losließ und das ich unbedingt nachspielen wollte, weswegen ich ihm wochenlang nachtelefonierte. Erreicht habe ich Rainald Grebe schlußendlich beim Klavierüben – in der Jenaer Sternwarte. Wo sonst.
Vielleicht ist der Mann deshalb so gut, weil er immer alles anders gemacht hat? Als 1992/93 der „Quatsch Comedy Club“ (noch als reine Live-Bühne) startete, durften die Zuschauer nach dem ersten Jahr ihren „Lieblingskomiker“ wählen. Sie entschieden sich für Rainald Grebe und nicht für Michael Mittermeier, Rüdiger Hoffmann oder Olli Dittrich, die damals ebenfalls häufig gastieren. Grebe hätte Karriere machen können, aber er wollte lieber – na klar – Puppenspieler werden. Also studierte er diese Kunst an der „Ernst-Busch-Schule“. Danach tingelte er mit der freien Gruppe „Athleten der Herzen“, arbeitete fünf Jahre als Schauspieler und Dramaturg am Theaterhaus Jena und schrieb „in den Sommerurlauben“ einen dicken Roman über – natürlich – die Seefahrt. (Er heißt „Global Fish“ und wird Anfang nächsten Jahres im S. Fischer Verlag erscheinen.)
Bis auf weiteres aber sucht Rainald Grebe den „außerhalb der Dreimeilenzone liegenden Humor“ am Klavier. „Brüllend komische, rhizomatische Versuche über die Jetzt-Zeit“ hat ein kluger Kopf seine Kunst unlängst gennant. Man könnte auch sagen: Er singt Lieder. Sehr traurige, sehr lustige – sehr gute Lieder. Rainald Grebes erstes (!), abendfüllendes Programm trägt den Titel „Das Abschiedskonzert“. Man sollte es nicht verpassen.

© jess jochimsen. zuerst erschienen in: badische zeitung

please join: Rainald Grebe

zurück