Wenn Liebe in Tönen liegt. Zum Tode von Uli Beeg

An den Wänden der „Gems“ in Singen hängt ein Dutzend riesiger Portraitfotos. Schwarzweiß sind diese Bilder, grobkörnig, sie stammen aus den frühen 90er Jahren und zeigen Künstler bei der Ausübung ihrer Tätigkeit.
„Da war der aber noch jung“, sagen die Leute und deuten auf einen Kabarettisten, der seinerzeit in der „Gems“ einen seiner ersten Auftritte bestritt und heute über die Landesgrenzen hinaus berühmt ist. Anderen dienen die Bilder als Gedächtnisstütze, „weißt du noch, damals“, seufzen sie, dann suchen sie sich einen Platz und warten darauf, dass die Vorstellung beginnt.
Bei einem Foto aber verharrt beinahe jeder Zuschauer länger, es ist das quadratische Bild ganz vorne rechts an der Bühne. Kaum einer kennt den Mann, der darauf im Vordergrund zu sehen ist, aber fast alle meinen ihn zu kennen – die grauen Haare, die Kotletten, die markanten Gesichtszüge und vor allem dieser ausdrucksstarke Blick. Konzentriert und entrückt zugleich. Es ist der Blick, da sind sich alle Betrachter einig, der einen so gefangen nimmt.
„Uli Beeg“, so berichtet Peter W. Hermanns, „konnte machen, was er wollte, auf Fotos sah er immer unverschämt gut aus.“ Die Faszination des Bildes hat aber auch noch eine andere Erklärung: Wenn Uli sein Akkordeon umschnallte, wurde er zu einem anderen Menschen, und das kann man sehen. Selten bezeugt ein Blick eine solche Hingabe, eine solche Liebe zur Musik und eine solche Sicherheit, dass der gewählte Ort – die Bühne – ohne jeden Zweifel der richtige ist. (Uli geriet, wenn er einem aufgeregt irgendetwas erzählte, manchmal ins Stottern. Auf der Bühne nie!)
Bei längerem Betrachten des Bildes dämmert es denn auch vielen „Gems“-Besuchern, woher sie den Mann kennen: Vom Zelttheater „Compagnia Buffo“, mit dem er jahrelang umherzog. Und natürlich von einem der unzähligen Auftritte mit dem „Trio Bagattelli“, aus dem später ein Duo wurde, bestehend aus Uli und dem, in Freiburg lebenden, Schauspieler und Musiker Jiri Sova. (Es ist erstaunlich, in wievielen Wohn- und Hausgemeinschaften sich zwar kein Cassettenrecorder mehr befindet, wohl aber eines der legendären Bagattelli-Tapes.)
Zu Hause war Uli Beeg auf der Bühne, gelebt hat er die letzten Jahre in Freiburg, wo er mit Sibylle Denker und der gemeinsamen Tochter Antonia seine „anderen“ große Lieben fand. Noch vor kurzem standen Bille und Uli zusammen auf der Bühne des „Vorderhauses“, im von Bagattelli und der Theaterwerkstatt coproduzierten Stück „Ich schlag’ dir mein Herz um die Ohren“ – ein Titel, der ziemlich genau umschreibt, was Uli Zeit seines Lebens gemacht hat, egal ob in Walzer, Tango oder der geliebten Polka.
Im Mai ist Uli Beeg im Alter von 50 Jahren gestorben. Bei seiner Beerdigung spielte Stefan Hiss noch einmal auf Ulis Akkordeon, jenem Instrument, das wie kein anderes für Traurigkeit steht, und das Uli, wie kein zweiter mit Lebenslust zu erfüllen vermochte.
Kurz vor seinem Tod ist die neue Bagattelli-CD fertig geworden, und es bricht einem das Herz, Uli darauf zu hören. Dieser Schmerz wird vergehen, die Erinnerung an ihn und seine Musik – sie aber werden bleiben. Fare well, Uli.

© jess jochimsen. zuerst erschienen in: rundbrief der fabrik freiburg

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