Männer's Gesundheit

Ich bin mir nicht sicher, ob es ein wirklich gutes Zeichen ist, wenn man von der Ex-Freundin das Probe-Abonnement eines Männermagazines geschenkt bekommt.
Und weil Ex-Freundinnen immer etwas im Schilde führen, handelte es sich bei besagtem Magazin-Present nicht um eine Onaniervorlage, sondern um zwei deutsche Ausgaben der Zeitschrift Men's Health.
Na großartig! Lektüre, wie für mich geschaffen: California-Dreamboys auf dem Cover und eine Themenpalette, die von "Fitness für Einsteiger" über "Mein erster Marathon" bis zu "Waschbrett-Bauch: So schafft es jeder" reicht. Ich hätte mich schon sehr täuschen müssen, wenn sich Sabine auf einmal um meine Gesundheit sorgte, Ex-Freundinnen sind subtiler: Sie hätte, so raunte sie mir zu, redaktionell an den "Erotik-Specials" mitgearbeitet. Bis hierher ganz lustig, denn dank ihres Dialekts klang diese Sparte nach "Errodig Schpeschels" und hörte sich wenig verfänglich an. Dann aber erklärte mir Sabine ihre "redaktionelle Mitarbeit": Für das März-Heft von Men's Health hätte sie Erotiktips und ein "Sex-Diplom" erstellt und für die April-Ausgabe einen Kerl im Bett getestet.
"Klingt ja mordsspannend", witzelte ich.
"Na ja, ist allerdings schon 'ne Weile her", sagte sie, "aber ich hab's verallgemeinert und der Name ist auch geändert."
"Du hast was?" schrie ich fassungslos.
"Auf irgendwelche Erfahrungen mußte ich ja zurückgreifen."
O mein Gott, das war es also, mein Liebesleben Schwarz auf Weiß! Die Höchststrafe: Ich war der sex-getestete Mann in Men's Health Nummer 4!
Nur mal nebenbei gefragt: Reicht es nicht, daß mich meine Eltern jahrelang mit ihrem Querfeldein-Gepoppe traktierten? Daß sie "es taten, mit wem auch immer, auf den Sperma-glitschigen Korridoren der besetzten Universitäten?" (O-Ton Renate) Und daß sie zudem - was das Schlimmste ist - in tausenden von Büchern und Artikeln die Vorzüge der freien Liebe priesen?
Nein, es reicht nicht. "Make love - ned woahr!" (O-Ton Eberhard) Und rede auch noch möglichst oft darüber. History will teach us nothing. Wenn es eine Lehre aus der Geschichte gibt, dann lautet sie auch: In Würde ficken! Und mit "Würde" meine ich eine gewisse Verschwiegenheit. Aber nein - denn wozu gibt es Men's Health, die Brigitte für den Mann?
Ich gebe zu, daß ich es in Erwägung zog, Sabine ob ihrer Niedertracht spontan zu töten und anschließend die gesamte Auflage dieses Drecksblattes aufzukaufen, doch dafür war es zu spät, und so blieb mir als saurer Biss in den Apfel nurmehr die Lektüre meiner sexuellen Vergangenheit. (Und wenn ich irgendetwas verdrängen wollte, dann das!)
Sabines Erotiktips waren, also das muß ich sagen, doch recht lehrreich und vor allem sprachlich in schönem Gewande:
"Frauen stehen auf Muskeln." Punkt.
"Frauen stehen auf zärtliche Männer." Punkt. Aha.
Männer dagegen stehen auf einen "aussagekräftigen Busen". Das war aber mal fein formuliert, ein "aussagekräftiger Busen", und das aus dem Mund meiner Verflossenen. Weiter weiß meine Ex, daß in achtzig Prozent der Fälle die Frau die Frage Sex oder nicht Sex entscheidet: Der Mann braucht ihr nur "in die Augen zu schauen. Bei eindeutigem Interesse weiten sich nämlich ihre Pupillen." So läuft das demnach - also wenn sich Sabines Pupillen weiteten, dann war sie dermaßen zu, daß Sexualität machen die letzte aller in Frage kommenden Tätigkeiten war.
Das "erste Mal" mit mir las sich dann so:
"Da lerne ich doch gestern diesen Mann kennen." Mich.
"Voll mein Typ." So so.
"Ich bevorzuge das Modell Cowboy: verwegener Romantiker, gerne mit Gangsterfresse." Schönen Dank auch.
Was Sabine dann "an- und feuchtmachte" war wörtlich:
"Er hat schwarze Hände. Und riecht nach Motorenöl. Nichts riecht aufregender. Motorenöl signalisiert: Hallo, ich bin dein Held. Ich habe etwas repariert. (Er fährt ein Spitzenauto und vögelt wie ein Gott.)"
Sabine, mir war die Fahrradkette rausgesprungen und die schmutzigen Pfoten waren tierisch peinlich! Und wenn ich recht erinnere, tat ich mich mit der Kette wesentlich leichter als zwei Stunden später mit dem Kondom. Zugegeben: Er fährt Fahrrad und vögelt wie ein Anfänger, klingt wenig prickelnd und Men's Health hat schließlich Stil und einen Ruf zu verlieren:
"Er wählt erst den Küchentisch, dann den Türrahmen und dann mein Bett, um mich niederzustrecken."
Das ist eine Lüge, eine gottverdammte Lüge. Sie hatte überhaupt keinen Küchentisch! Und dann auch noch "niederstrecken" (am Türrahmen!) - genau das hätte ich tun sollen. Außerdem, was konnte ich dafür, wenn ihre Studentenbude so klein war, daß man überall anstieß.
Den "natürlich gemeinsamen Orgasmus" (das wüßte ich aber) beschrieb Sabine abschließend als "Feuerwerk im Kopf." Wo sonst.

aus: volker surmann (hrsg.), sex - von spaß war nie die rede II, 2009 (satyr-verlag)
verändert auch in: J.J., das dosenmilch-trauma, 2000 (© dtv)

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