Gespräche mit einem Laubhaufen über Lethargie. Über Felicia Zeller

1) Wenn ein Buch mit Kurzprosa so beginnt, wie das von Felicia Zeller, ist es ein gutes Buch: „Wenn ich Kinder hätte, könnte ich so aussehen wie die, die Kinder haben.“

2) Überhaupt ist die in Stuttgart geborene Autorin am besten, wenn sie böse ist (und das ist sie oft): „Die PLUS-Sonderwaren sind immer bunt und fröhlich. Meist große, bunte Zelte für acht Personen [...]. Hat man erst ein großes, buntes Gartenzelt für acht Personen im Schrank, kommt der Garten wie von allein dazu, legt sich drunter und bleibt liegen, vielleicht kommen ja auch die acht Personen noch vorbei. Und dann hat man jede Menge Spaß.“

3) Dass Spaß sein muss, weiß Zeller, auch wenn’s nicht immer lustig ist, sondern immer wieder verstörend, tieftraurig und existentiell. So beschreibt sie, wie es sich anfühlt, einmal nicht überfahren worden zu sein, oder wie es ist „mit den Wellen von Virginia Woolf“ eine Kleidermotte zu erschlagen. Außerdem spricht sie mit einem Laubhaufen über Lethargie - was sensationell genannt zu werden verdient. „Einsam lehnen am Bekannten“ ist das „ schrägste Debut dieses Jahres und des nächsten gleich mit“, urteilt der BuchMARKT und hat recht damit. Schon lange ist nicht mehr so seltsam-schön und irrlichternd-klug von den Schieflagen des Alltags erzählt worden.

4) Allerdings hat unlängst irgendein kluger Kopf all die Bücher, in denen Szene-Alltag gesampelt, Nachtleben-Blogs literarisiert und Lesebühnen-Texte aneinander gereiht werden, aus gutem Grund „Berliner Befindlichkeitsprosa“ genannt (ganz egal, woher die Autoren stammen), und auch die Wahlberlinerin Zeller ist nicht frei davon, übers Jogginganzugtragen in Neukölln zu berichten, übers allabendliche Trinken oder darüber, dass sie ihre Texte nicht fertig kriegt. Aber geschenkt. Denn Felicia Zeller entschädigt einen mit einer derartigen Vielfalt guter Ideen, überraschender Wendungen und - vor allem anderen - großartiger Anarchismen, dass man diesen Punkt gleich wieder streichen möchte. (Zum Beweis werfe man einfach einen Blick ins Netz und dort auf die zahlreichen Kurzfilme, die Zeller zumeist mit ihrer ebenfalls ganz wunderbaren Kollegin Marion Pfaus aka „Rigoletti“ produziert hat - sie lassen einen fassungslos staunend und bepisst vor Lachen zurück!)

5) Das wichtigste aber: Felicia Zeller kann schreiben. Am Theater hat sie das längst bewiesen (ihr am Theater Freiburg uraufgeführtes Stück „Kaspar Häuser Meer“ erhielt den Publikumspreis bei den Mülheimer Theatertagen 2008 und ist derzeit an den Münchner Kammerspielen und in Bälde am Wiener Burgtheater zu sehen); den Beweis in der Prosa hat sie mit „Einsam lehnen am Bekannten“ eindrucksvoll angetreten.

6) Felicia Zeller ist „eine Art schwäbische Jelinek“. Nein, liebe FAZ, das ist sie nicht, Felicia Zeller kann komisch!

© jess jochimsen. zuerst erschienen in: badische zeitung (4.11. 2008), musikexpress (12/08)

Felicia Zeller, Einsam lehnen am Bekannten. Kurze Prosa (Lilienfeld Verlag)

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