Der politische Pandabär. Über Rob Alef

Ein herkömmlicher Krimiplot sieht anders aus: Eine veganische Terrororganisation entführt Bang Bang, den letzten Pandabären und Publikumsliebling des Berliner Zoos (West) und fordert die sofortige Freilassung aller Tiere des hauptstädtischen Tierparks (Ost). Der ermittelnde Kommisar geht allerdings lieber in die Oper als auf Verbrecherjagd, oder sortiert seine Locher-Schnipsel paarweise, und auch seine Assistentin ist eher darauf bedacht, gut gebaute Zeugen zu verführen, als Kriminalfälle zu lösen. Wozu auch? Die wahrhaft Schuldigen sitzen in Wirtschaft und Politik, außerdem ist das Entführungsopfer ein ehemaliger Mafia-Killer und ohne seinen ausgeklügelten chinesischen Speiseplan („die acht Kostbarkeiten“, Glückskeks inklusive) ohnehin verloren. Überflüssig zu erwähnen, dass der regierende Bürgermeister bekannte Züge trägt und eine Pappnase ist, und die Terroristen der „Rote Beete Fraktion“ auch nicht so genau wissen, was sie eigentlich tun: „Dieses Bekennerschreiben wurde maschinell erstellt und ist daher ohne Unterschrift gültig.“
Rob Alef, in Berlin lebender Historiker und taz-Kolumnist, liefert mit seinem Romandebut eine teils gnadenlos alberne, teils brillant-komische Parodie auf die gegenwärtig herrschenden Zustände in der Republik. Dass dafür das Genre des Krimis herhalten muss, kennt man von Helge Schneider auf der grotesken und von Wiglaf Droste („Der Mullah von Büllerbüh“) auf der satirischen Seite. Mit beiden kann sich Alef in puncto Witz durchaus messen.
Und doch ist „Bang Bang stirbt“ keines der Bücher, die im Laden unter „Humor“ eingeordnet sind und zur rein erheiternden Bettlektüre taugen. Das liegt zum einen an der konsequent polyphonen Erzählhaltung, die eine Identifizierung mit dem Helden unmöglich macht. Mit welchem auch? Zum anderen spielt die Krimi-Persiphlage „in naher Zukunft“ und trägt somit auch die Züge der Science Fiction oder besser: der „negativen Utopie“, und eine solche ist in der aktuellen Literaturszene selten geworden. Alefs „schöne neue Welt“ ist unregierbar geworden, es herrscht Chaos, aber auch Vollbeschäftigung, weil sämtliche Arbeitslose als lebendige „Straßen-Infos“ eingesetzt werden. Die soziale Marktwirtschaft hat sich ad absurdum geführt und alle zwei Tage rauscht ein Passagierflugzeug in einen Büroturm. „Wegen einer planmäßigen Punktlandung bleibt der Potsdamer Platz noch bis morgen Abend gesperrt.“
Allein für die Chuzpe, den „11.9.“, mitsamt seinem Schrecken, in den Stand der Komik zu erheben, und zwar nicht als schalen Zynismus, sondern als durchgängiges satirisches Motiv, gebührt dem Autor ein Orden. Die Frage, ob Satire dergleichen darf, stellt sich gar nicht; in einer Welt der kollektiven Lebensmüdigkeit und des brachliegenden Baugewerbes werden eben neue Wege beschritten...
Krimifans sollten jetzt allerdings wegschauen: Bang Bang bleibt am Leben und auch sonst geht alles gut aus. Spannend im Sinne des „who done it“ ist das Buch ohnehin nicht, dafür aber immer wieder sehr, sehr lustig.
Spannend bleibt jedoch, wer sich hinter dem Pseudonym „Rob Alef“ verbirgt. Ein Tipp: Sein Onkel ist emeritierter Politik-Professor an der Freiburger Universität.

© jess jochimsen. zuerst erschienen in: badische zeitung

Rob Alef, Bang Bang stirbt, Shayol Verlag, 12,90 Euro.

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